(Gespräch im Gesamtverlauf notiert, Fazit am Ende auf Seite 5)

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Organisation machbar in deutlich kleinen Einheiten, da sich Einwohner eher an Vor-ort- Entscheidungen beteiligen wollen, z.B. in Stadtbezirken. Welche Rolle spielt hierbei der bereits existierende Bezirksbeirat? Welche rechtliche Bindung gibt es, wenn Ideen einfach so eingebracht werden? Wie können wir diese Form der Demokratie durchsetzen? Besser ist, andersherum zu denken: welche Regeln erachten wir für sinnvoll? Hieraus ergibt sich dann das System, das vorgeschlagen werden kann.

„Wie erlangen wir die Macht“: In von Jens Loewe vorgestelltem brasilianischen Modell gab es eine politisch sehr günstige Situation, die das BürgerInnenparlament dort befürwortete. So konnte es sich etablieren und ist heute nicht mehr rückgängig zu machen. Diese Situation ist hier in Stuttgart anders. Eine Möglichkeit wäre, „zu tun, als ob“, also ein Modell zu erstellen und „BürgerInnenparlament“ zu spielen, wenngleich es noch keine Entscheidungsbefugnis hat. So könnte man den politischen Prozess und vor allem Entscheidungsdifferenzen gezielt in die Öffentlichkeit tragen. Vor allem mögliche Differenzen zwischen den Entscheidungen der Politiker und den Entscheidungen des BP wären eine gute Diskussionsgrundlage.

Günstig ist das Wahlkampfjahr 2014: wie in jedem Wahlkampf wird auch hier die Stärkung der einzelnen Stadtbezirke in den Vordergrund gehoben. Immer wenn aber die Wahl vorbei ist, sind sie kein Thema mehr. Dies liegt auch daran, dass kein Druck durch die Bevölkerung spürbar ist, auf die Wahlversprechen zu pochen und die Gemeinderäte zu kontrollieren.

Einforderung von Beteiligungsrechten: Änderung der Gemeindeverordnung? Zu den Bezirkssitzungen kommen Leute, zu den Gemeinderatssitzungen eben nicht.

Man kann vom Gemeinderat nicht verlangen, seine Macht an den Bezirksrat abzugeben. Alternativ: Ein Denkmodell, das neu eingebracht wird, unabhängig vom bisher Bestehenden. Die Durchsetzung erfolgt erst in einem zweiten Schritt, wenn das Modell richtig durchdacht ist.

Beispiel: „Rätemodell“: Ideensammlung in Wohngebieten, kleiner noch als Stadtbezirk. Jede Frage muss differenziert betrachtet werden: um welche Belange geht es? Die Gremien dürfen nicht zu groß sein, damit die Fragestellung nicht ausufert. Die Räte brauchen ein imperatives Mandat, sie müssen legitimiert sein (Bsp. Parkschützerrat). Beispiel Schweiz: hier gibt es noch immer das Modell, dass ein Rat/Versammlung so groß oder klein sein darf, wie der Ort/Platz es hergibt. D.h. die Größe des tagenden Gremiums wird bestimmt durch das menschliche Maß. Wo aber sind diese Plätze bei uns?

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Beispiel Brasilien: hier war das BürgerInnenparlament ursprünglich informell. Bertragen werden kann, dass der, der ein Interesse an etwas hat, sich hierfür stark machen wird. Ein informeller Charakter ist weniger zäh denn fließend. Wie aber ist rechtlich durchzusetzen, was in einem informellen Gremium entschieden wurde? Wie soll in einem BP-Gremium überhaupt entschieden werden? Nach dem Mehrheitsprinzip? Im Konsens? Wen repräsentiert das Gremium? Woher nimmt es seine Legitimation? Hierauf kann heute keine abschließende Position gefunden werden.

Wie wird über bestimmte Interessen/Positionen diskutiert und entschieden? Bis alles ausgesprochen ist, braucht es viel Zeit. „Zeit ist Geld“ ist fragwürdig. Die Diskussion muss so lange dauern, bis man zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Es muss im Sinne des Menschen, nicht im Sinne vorhandener Fördermittel entschieden werden. Die Entscheidungspriorität ist demnach der Mensch, nicht das Geld. Erst mit genügend Zeit können Alternativen ausreichend diskutiert werden. Derzeit gibt es ja immer nur ja/nein-Entscheidungen, da das System Geld/Finanzierung als Priorität dies vorgibt.

Problem: es gibt –wie überall spürbar- Entscheidungen, die nicht aufgeschoben werden können, und so konträr sind, dass sie nicht im Konsens aufgelöst werden können. Ist hier eine Diskussion bis zum Konsens sinnvoll, oder besteht nicht dann die Gefahr, dass das Thema zerredet wird?

Eine Lösung: Auflistung von Pro und Contra, dann Entscheidung. Hierbei müssen wir aber lernen, Entscheidungen nicht gegen Minderheiten zu treffen. Bei gebotener Eile: derjenige, der etwas will, wird Druck machen. Hier muss man also in Meinungsbildungsprozessen ansetzten und den Diskurs mit guten Moderatoren vorantreiben. S21 ist hier gutes Beispiel, weil man sehen kann, dass in Sachfragen unterschiedlichen Interessen nachgegangen wird.

Ist es schwierig eine politische Entscheidung zu treffen? Beim BürgerInnenparlament kann es nur um Sachfragen gehen. Bürger sind sachorientiert, da sie parteipolitische Interessen nicht verfolgen müssen. Aber: wie kann man sich eine Meinung bilden? Wer beurteilt was und wie? Wie kommt man zu einem neutralen Gutachten ohne Parteienzwang? Wie beurteilt man einen Sachverhalt vorurteilsfrei? => Gutachten sollten nur von Unbeteiligten durchgeführt werden.

Problem: Unsere Gesellschaft hat keine herrschaftsfreie Grundstruktur. Wie leben in einer Klassengesellschaft, hieraus ergeben sich Interessenskonflikte (GeldvermehrungLebensqualität). Interessant ist hier das Modell eines BP, in dem jeder Bürger, unabhängig von seiner gesellschaftlichen Position, nur eine Stimme hat. Mit bereits jetzt vorliegenden Ausschlussmöglichkeiten („Befangenheit“), könnte man darüber nachdenken, jemanden aus Entscheidungen auszuschließen, der wirtschaftliche Interessen an einem Sachverhalt haben könnte. Im offiziellen Parlament ist der Personenkreis, der die Entscheidungen trifft, eingeengt auf einige wenige. Dies erleichtert die Lobbyarbeit und macht anfällig für Korruption. Das Dilemma bleibt zunächst bestehen: willst du neue Entscheidungsmöglichkeiten, hast du es immer mit dem derzeitigen Politik- und Wirtschaftsgefüge zu tun.

Was also kann man tun? Das BP tagen lassen, um Alternativen aufzuzeigen. Wenn aber die Leute nicht wissen, worum es geht- wie sollen sie dann mitdenken? Unser Modell soll so in Gang gesetzt werden, dass die BürgerInneninteressen gehört werden.

Beispiel Wyhl, S21: hier regt(e) sich überparteilicher Widerstand bis zum Erfolg. Die Legitimation des Widerstandes ergibt sich aus der Zustimmung der aktiv Beteiligten. Dies zeitlich durchzustehen erfordert sehr viel Kraft und Energie. Beispiele Südbahn, Schönbuchbahn, Energieversorgung:

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Erfolgreiche Bürgerinitiativen zeigen, dass es im Kleinen funktioniert. Es geht eben nicht nur darum, Ratschläge“ durchzuführen, sondern darum, dass die BewohnerInnen eines Stadtteils ihre Belange selbst organisieren (z.B. „BewohnerInnen gründen Lebensmittelgeschäft“). Hier ist die Akzeptanz viel größer, weil eben dann die Entscheidung legitimiert ist.

Einerseits ist die Idee „Selbermachen“ super- andererseits aber auch sehr problematisch. Siehe Beispiel „Mütter kochen in der Schule“- es gibt immer einige wenige Engagierte, auf denen sich dann weniger Engagierte ausruhen. Topos: Bürgerschaftliches Engagement: Hierfür braucht es Anerkennung, wahrgenommene Präsenz. Ansonsten läuft die Sache- wie an vielen Beispielen aufzeigbar- anfangs gut und nach 2 bis 3 Jahren bleibt eine kleine Kerngruppe zurück, die unter dem gesetzten Ziel leidet, weil es mit den wenigen nicht allein zu stemmen ist.

Das bürgerliche Engagement muss im Gegensatz stehen zum offiziell getrennten „Stadtrat“. Beispiel: Guerilla Gardener müssen ebenso ein Stimmrecht haben wie die städtischen Landschaftsgärtner. Man möchte nicht nur Lob, sondern Mitbestimmungsrecht und das nicht nur pro forma.

Wie kann man beurteilen, ob die Delegierten das Gewünschte, weswegen man sie gewählt hat, auch richtig machen? Man sollte sie, bei schlechter Leistung, abwählen können. Oder die Bezahlung verweigern? Es müsste eine neue Verpflichtung gegenüber dem Allgemeinwohl geben, nicht gegenüber einer Lobby.

Praktisches Problem: oft hoffen Menschen, dass, wenn der Konzern/das Unternehmen, bei dem sie angestellt sind, viele Steuergelder erhält, etwas für sie persönlich abfällt; sie erhoffen sich Vorteile. Dies ist aber dann kein bürgerschaftliches Engagement, sondern eigentlich nur Egoismus.

Warum gibt es so wenig Engagierte? Liegt es an der Werbung? Oder geben die Menschen die intellektuelle Arbeit ab an die Delegierten? Die Bürger müssten eigentlich prüfen, ob die Wahlversprechen eingehalten werden! Sie tun es aber nicht, denn sie kommen nicht zu Sitzungen, die sind ihnen zu zäh.

In einem BP müssten zuerst Fragen entwickelt werden, die das Allgemeinwohl betreffen, nicht „Fragen des eigenen Parkplatzes“. Worin aber liegt der Sinn, sich zu engagieren, wenn man doch nichts entscheiden darf? Ist hier doch das System tragend: die Menschen „wollen einen guten König“? Oder liegt das Problem in der Arbeitsteilung? „Ich habe doch meine eigene Sache, habe doch mit meiner Stimme den Delegierten legitimiert“- muss ich mich jetzt darum kümmern, dann kann ich nicht meiner eigenen Karriere folgen => Überlastung? Oder ist „Überlastung“ nur eine Ausrede? Was ist die Konsequenz: wir lassen es, weil die Leute sind satt und zufrieden?

Man müsste die Menschen dazu kriegen, dass sie mitmachen. Sie davon zu überzeugen, wird schwer. Der Denkapparat ist seit 60 Jahren verkümmert, er muss erst wieder angestoßen werden. Zum Beispiel mit einem „medienfreien Sonntag“, an welchem sich die Familien so streiten, dass es keiner mehr zu Hause aushält und auf die Straße rennt, um andere Menschen zu treffen…

Ortsnahe Gruppen: hier könnte man Themen der Größe entsprechend finden. Dieser Konvent, dieses Gespräch hier ist nur der Anfang für etwas, das gefunden werden will. Man muss die Idee weiter transportieren. Mehr Öffentlichkeit: man sollte in großem Kontext mehr solcher Veranstaltungen wieder machen- im Rathaus Stuttgart, großer Sitzungssaal. Nur hier entsprechende Aufmerksamkeit.

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Hier entsteht ein Forum, bei welchem es gelingen kann zu zeigen. Hallo, es gibt Ideen, wir arbeiten daran. Macht mit!

Es gibt bereits Initiativen in bestehenden Stadtteilgruppen, Ordner anzulegen, mit denen man zum OB Kuhn gehen kann, und in welchen Ideen und Forderungen der einzelnen Stadtteile erfasst sind. Diese übergreifende Themensammlung soll als Basis dienen. Frage: Im Sinne einer Initiative oder im Sinne einer Struktur? Was macht Herr Kuhn damit?- Es gibt ein Misstrauen gegenüber dem neuen OB und auch gegenüber der neuen Landesregierung.

Wo ist das Gremium, das dann entscheidet, welche Fragen Priorität besitzen? Warum sollte man Fragen nicht in den entsprechenden Stadtbezirken selbst entscheiden lassen? Dies ginge wohl bei Stadtbezirksfragen- wenn klar wäre, welches Budget für die Bezirke aus dem Haushaltsplan verfügbar wären… Wie aber verhält es sich mit der Geldverteilung innerhalb der Stadtviertel? Und wie, zwischen den Stadtvierteln? Und welche Aufgabe hätte dann der Gemeinderat?

Beispiel Schweiz: Hier stehen Entscheidungen an, wenn bestimmte Vorhaben eine gewisse finanzielle Größe erreichen. Dann ist eine Volksabstimmung notwendig. Der Gemeinderat kommt hier nicht mehr zum Zug, solche Entscheidungen werden nicht mehr bestimmten Interessensgruppen überlassen. Alle Informationsbroschüren werden vom öffentlichen Haushalt getragen. Übrigens: hier gibt es noch den Begriff der Konkordanzdemokratie: d.h. Ministerien werden –auch- von der Opposition mitbesetzt, um politisch integrativ zu arbeiten.

Und trotzdem: „Kreuzchen machen“ heißt nicht Blankoscheck! Politiker sollten gemessen werden an dem, was sie wirklich umsetzen.

Wie kann man das BP symbolisch am besten verkörpern? – besser in kleineren Ortsteilen? Besser städteweit?

Die Kompetenz liegt eigentlich schon lange beim Bürger (siehe Ingenieure gegen S21, Juristen zu S21 etc). Wo immer es Delegierte braucht, sollte es das Prinzip der Abwahl geben. Symbolisch muss zum Ausdruck kommen, was wir in echt später wollen. Wenn wir also später „in Bezirken“ organisiert sein wollen, sollte sich das auch modellhaft zeigen. Wirksam für die Wahrnehmung ist, dass „die Bürgerparlamente Stuttgarts fordern…“- und dass diese auch regelmäßig zusammentreffen: im Rathaus Stuttgart im großen Sitzungssaal. Beispiel Duisburg: hier ist es möglich, den Bürgermeister durch Misstrauensantrag abzuwählen.

 Gemeindeverordnung dahin ändern, dass der Stuttgarter Bürgermeister abwählbar ist  Fehlende rechtsstaatliche Verteilung im Bürgermeisteramt (Exekutive, Judikative und

Legislative inne); hier müsste man eigentlich über das Verfassungsgericht ansetzen.  Die Landesverfassung müsste geändert werden (Quorum muss weg)

Problem: Verfassungsgericht fühlt sich nicht zuständig, gibt zurück an Verwaltungsgericht.

Seite 5:

Fazit und Ausgangssituation für eine mögliche weitere Sitzung: Mögliches Modell beinhaltet:

  • WIE: über örtliche Initiativen; themenbezogen (in jedem Falle dezentral); sollen zielführend sein
  • WO: in zusammenführenden Präsentationen (im Stuttgarter Rathaus, großer Saal)
  • WAS: Politische Arbeit im Sinne einer neuen GemeindearbeitWeiterführende Fragen:
  • Wie finden wir den Konsens innerhalb der einzelnen Initiativen und wie den Konsens zwischen den Initiativen?
  • Haben wir rechtliche Grundlagen? => Konzepterarbeitung mit „symbolischer Geldverteilung“ für die einzelnen Bezirke/Stadtteile, die zur Verfügung gestellt werden. Hierbei. Know-How ehemaliger Stadträte zu Haushaltsfragen einholen (Problem Haushalt: es gibt keine reellen Zahlen; der Haushaltsentwurf des Stadtkämmerers ist geheim. Lösung: Erstellung einer Prioritätenliste nach Ampelsystem?)
  • Vorschlag: „symbolische Geldverteilung“: Ein Bürgerentscheidungsgremium könnte auch einen „Stadtteil-Finanzausgleich“ mittragen.
  • Geheimhaltung des Haushaltsentwurfes ist problematisch. Er sollte vor Abstimmung im Gemeinderat öffentlich sein (=> Planungstransparenz), damit mit den Delegierten überhaupt Rücksprache gehalten werden kann und eventuelle Einwände vorgebracht werden können.Rechtliches:
  • Gemeindeverordnung dahin ändern, dass der Stuttgarter Bürgermeister abwählbar ist
  • Fehlende rechtsstaatliche Verteilung im Bürgermeisteramt (Exekutive, Judikative undLegislative inne); hier müsste man eigentlich über das Verfassungsgericht ansetzen.
  • Die Landesverfassung müsste geändert werden (Quorum muss weg)

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